Klara, 35: Ich habe meinen Freund mitten in der Pandemie kennen gelernt und wir wohnen noch immer getrennt, der Hauptgrund ist der Berliner Wohnungsmarkt. Wir sind ein gutes Team, haben auch schon eine Quarantäne gemeinsam durchgestanden, aber: Mich stört seine Wohnung. Bei ihm ist alles so… als wäre er ein ewiger Junggeselle: Küche, Bad, Staubschicht auf dem Fernseher… Ich habe Angst, dass es auch so weitergeht, wenn wir zusammenziehen. Ist das dann kein Thema mehr, weil man gemeinsame Regeln aufstellen kann?
Hallo Klara,
ich habe erst neulich gelesen, dass Zusammenziehen das neue Heiraten ist. Das trifft vermutlich besonders für das Leben in Städten wie Berlin, München oder Hamburg zu. Also an Orten mit wenig Wohnungsangeboten, aber einem hohem Bedarf und dementsprechend horrenden Mietpreisen. Darum gilt wohl nun: Prüfe wer sich an einen gemeinsamen Mietvertrag bindet. Ihre Sorge kann ich also durchaus nachvollziehen. In der Tat erlebe ich es in der Praxis häufig, dass sich bei Paaren eine gewisse Rollenverteilung mit der Zeit einzuschleichen scheint: Personen, die sich zunächst einig sind, großen Wert auf die Gestaltung einer gleichberechtigte Partnerschaft zu legen, erleben plötzlich, wie ein*r deutlich mehr bestimmte Aufgaben im Haushalt wie z.B. die Wohnung zu putzen und die Wäsche zu waschen übernimmt. Noch deutlicher wird es, wenn Kinder hinzukommen. Häufig argumentiert eine Partei, nicht so einen hohen Anspruch an Sauberkeit und Ordnung zu haben und wenn die/der Partner*in es gerne anders hätte, sie es doch bitte selbst machen sollte – das ist natürlich nicht fair.
Ihre Idee gemeinsame Regeln aufzustellen, finde ich grundsätzlich gut. Vermutlich bedarf es dafür einen längeren Aushandlungsprozess und für diesen müssten Sie beide vielleicht sogar schon zusammengezogen sein. Was sich aber durchaus vorher besprechend lässt, sind die Gedanken und Befürchtungen, die Ihnen beiden durch den Kopf gehen, wenn Sie an eine gemeinsame Wohnung denken. Sie könnten ihm z.B. erzählen, wie Sie sich in seiner Wohnung fühlen und wieso das so ist – ich plädiere hier für möglichst große Offenheit. Sie werden in diesen Gesprächen darüber feststellen, wie die andere Person auf angesprochene Kritikpunkte reagiert, offen und konstruktiv, oder eher abweisend.
Mich würde an dieser Stelle auch interessieren, wie Sie beide bisher mit Kritik, oder unterschiedlichen Bedürfnissen umgegangen sind. Ist es Ihnen gelungen Kompromisse zu schließen, oder auch mal unterschiedliche Meinungen stehen zu lassen? Haben Sie das Gefühl, Sie konnten beide gleichberechtigt und auf Augenhöhe miteinander in den Austausch gehen und Lösungen finden? Für mich wäre das ein wichtiger Indikator, ob ich mich mit einer Person auf das Abendteuer gemeinsame Wohnung einlassen möchte. Ich wünsche Ihnen in jedem Fall viel Erfolg dabei.