Lisa, 29: „Ich bin seit 3 Jahren mit meinem Freund zusammen. Er behandelt mich nicht gut, auch nicht im Bett. Gleichzeitig kann ich mich nicht von ihm lösen. Ganz im Gegenteil: Ich habe das Gefühl, dass ich noch nie eine Person so stark geliebt habe wie ihn. Wie kann es sein, dass ich einen Menschen, der so schlecht für mich ist, so sehr liebe?"
Liebe Lisa,
du schreibst, du bist seit 3 Jahren in einer Beziehung, in der es dir nicht gut geht, viel mehr noch, es macht dein Eindruck, sie schadet dir auf Dauer. Sich aus dieser wiederum zu lösen ist schwierig, weil du dich unheimlich stark mit diesem Menschen verbunden fühlst. Solche Beziehungen gibt es, damit bist du nicht allein, ein Leben scheint weder mit noch ohne diese andere Person möglich zu sein. Häufig beginnt es mit einer großen Anziehung und dem Gefühl seinen Seelenverwandten gefunden zu haben. Das Glück ist groß, fast schon euphorisch stürzt man sich in genau dieses Gefühl hinein.
Wann hast du zum ersten Mal bemerkt, dass es dir in der Beziehung nicht gut geht? Wie hast du drauf reagiert und welche Reaktion hat dein Freund darauf gezeigt? Jetzt weiß ich natürlich viel zu wenig über dich, um dir eine pauschale Antwort darauf geben zu können, weshalb du trotz allem bei ihm bleibst. Meiner Erfahrung nach, verweilen Menschen häufiger dann in Beziehungen, die ihnen schaden, wenn sie nicht ausreichend gut gelernt haben, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Für dieses ist es notwendig eigene Grenzen, Wünsche und Bedürfnisse zu spüren und zu erkennen. Ein weiterer Aspekt dabei ist deine eigene Beziehungsgeschichte und diese beginnt mit der ersten und wichtigsten Bindungen in deinem Leben: Die zu deiner und Mutter und zu deinem Vater (oder anderen wichtigen Bezugspersonen).
Diese ersten Bindungserfahrungen bilden die Grundlage für dein eigenes Bindungsmuster, also wie du auf Beziehungen blickst, wie sicher du dich in diesen fühlst, wie bereit du bist dich anzupassen, oder wie sehr darauf bedacht bist deine Autonomie zu bewahren. Das zu reflektieren, kann einen ersten Hinweis darauf geben, was dich in dieser Beziehung hält. Ich frage häufig meine Klient*innen danach, wie sie ihre Eltern als Paar erlebt haben, denn auch diese über Jahre hinweg erlebte und beobachtete Paarbeziehung dient als Vorbild, oder auch als abschreckendes Beispiel und prägt somit unser eigenes Bild von einer Beziehung. Wie viel es vielleicht auszuhalten gilt, weil „…man nicht einfach aufgibt.“ Solche Glaubenssätze können unheimlich wirkungmächtig sein und es lohnt sich diese zu hinterfragen und ggf. aufzulösen.
Häufig nehmen schwierige Beziehungen sehr viel Raum ein und kosten Kraft, was dazu führen kann, alles andere etwas aus den Augen zu verlieren. Ich möchte dir empfehlen, in der nächsten Zeit dein soziales Netz zu stärken, also deine Freundschaften zu pflegen. Diese Menschen bieten dir Halt, können dir Rückmeldungen über dein Verhalten geben und auch über das deines Partners. Gleichzeitig erleichtern dir diese Verbindungen, dich aus der Beziehung lösen zu können, solltest du dich dafür entscheiden.